Symphonie der Farben

Farbmanagement verstehen

Ralph Altmann

Völlig selbstverständlich, dass die HiFi-Anlage das auf der CD gespeicherte Orchesterstück genau so ins Wohnzimmer „rüberbringt“, wie es bei der Aufnahme geklungen hat. Und genau so selbstverständlich erwartet man, dass der Tintendrucker das gestern geschossene Digitalfoto mit originalgetreuen Farben zu Papier bringt. Doch Letzteres endet oft eher enttäuschend. Warum das so ist, und was man dagegen tun kann, verrät dieser Artikel.

Farben und Töne haben – schon umgangssprachlich – viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige charakteristische Unterschiede. Beides kann helfen, das komplizierte Gebiet von Farbwahrnehmung und Farbverarbeitung verständlich zu machen.

Töne und Farben sind letzten Endes Wirkungen von Schwingungen, die unsere dafür ausgelegten Sinnesorgane reizen: Akustische Wellen regen die Sinneszellen im Ohr an, elektromagnetische Wellen (Licht) regen die Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut des Auges an. Akustische Wellen unter schiedlicher Frequenz empfinden wir als unterschiedliche Tonhöhen, Lichtwellen unterschiedlicher Frequenz als unterschiedliche Farben.

Die Frequenzen, um die es hier geht, könnten allerdings unterschiedlicher kaum sein. Das Ohr nimmt im Idealfall Tonfrequenzen zwischen unter 20 Hertz und 20 000 Hertz wahr. Das Auge ist für Lichtwellenlängen zwischen 760 Nanometer (Rot) und 380 Nanometer (Blau) empfindlich. In Frequenzen umgerechnet sind dies 395 bis 790 Terahertz (1 Terahertz = 1000 Gigahertz).

Farbwahrnehmung

Farbwahrnehmung Die drei Sorten farbempfindlicher Netzhautzellen (Zapfen) werden von unterschiedlichen Lichtwellenlängen angeregt.

Sichtbares Spektrum

Eine ideale technische Übertragungseinrichtung müsste diese Frequenzen auf der Seite des Senders (Orchester, Lichtquelle bzw. Bildmotiv) aufnehmen, eventuell zwischenspeichern und auf der Empfängerseite (Ohr, Auge) exakt reproduzieren. Im Tonfrequenzbereich ist dies heute leicht möglich: Die akustischen (Luft-)Schwingungen lassen sich per Mikrofon in Spannungsschwankungen umsetzen, in Form geometrischer Informationen oder sogar „zerhackt“ (digitalisiert) speichern, verstärken und schließlich per Lautsprecher wieder in Luftschwingungen zurückverwandeln (siehe Tonübertragung). Dabei wird die in der Schwingungsform enthaltene Information nicht verändert, lediglich auf andere physikalische Medien abgebildet.

Es gibt jedoch kein Übertragungs- und schon gar kein Speichermedium, das elektromagnetische Wellen im Lichtfrequenzbereich analog abbilden kann, ausgenommen Licht selbst: Lichtwellen lassen sich exakt nur durch Lichtwellen darstellen. Aber selbst, wenn optische Signalverarbeitung einmal die Übertragung der Licht-Information ohne Umsetzung von einem Aufnahme-zu einem Wiedergabegerät ermöglichen würde, bliebe das Speicherproblem ungelöst. Licht lässt sich nicht speichern.

Signalübertragung

Signalübertragung Signale lassen sich nach zwei Prinzipien übertragen: mittels exakter Signal-Nachbildung über mehrere physikalischen Medien hinweg (oben), per Messung der wichtigsten Signal-Parameter, Übertragung nur dieser sowie Neugenerierung des Signals beim Empfänger (unten).

Gute Noten

Dies muss für die Übertragung von Farb- oder gar Bildinformationen jedoch keine unüberwindliche Hürde sein, wie wiederum die Musikgeschichte zeigt: Schon lange vor der Erfindung des Phonographen wurde Musik „gespeichert“ und übertragen, wenn auch etwas umständlich und unvollkommen: per manueller Notierung. Diese „Noten“ bilden das akustische Ereignis nicht exakt ab, sondern sind Reproduktionsanweisungen, aber ausreichend, um von einem notenkundigen Sänger oder Musiker mit dem entsprechenden Instrument jederzeit an jedem Ort in Musik zurückverwandelt werden zu können.

Schon vor Jahrhunderten begann man, die Wiedergabe von Musik zu mechanisieren. Spieluhren, Leierkästen und die großen lochkartengesteuerten Konzertorgeln und Spielautomaten, wie sie heute manchmal noch auf Jahrmärkten zu sehen sind, verwandeln rein mechanisch solche (nur in etwas anderer Form aufgezeichneten) Noten zurück in Klänge.

Alternativspeicher

So unvollkommen diese Methode ist, so zeigt sie doch eine alternative Speicher- und Übertragungsart für Informationen, die als hochfrequente Wellen vorliegen. Statt die Wellen selbst zu übertragen, werden lediglich ihre Parameter gemessen und an den Ort der Wiedergabe geleitet, wo man anhand dieser Parameter die Wellen neu erzeugt. Die zwei wichtigsten Wellen-Parameter sind Frequenz und Amplitude – im Akustik-Bereich also Tonhöhe und Lautstärke, im Licht-Bereich Farbe und Helligkeit.

Jedes Notenblatt speichert zumindest Frequenz (Höhe) und relative Spieldauer (Einschaltdauer) der Töne, zudem sind Angaben über Tempo, Betonung (Takt) und Lautstärke enthalten. Übrigens gibt es auch im Hightech-Zeitalter eine technische Variante dieser Art von Notation: Elektronische Keyboards (und deren Software-Realisierung auf Computern) arbeiten mit gespeicherten „Stimmen“ beziehungsweise „Instrumenten“, die genau definiert sind. Ganze Musikstücke lassen sich deshalb Zeit und Speicherplatz sparend übertragen, in dem man (im Midi-Format) nur die beteiligten Stimmen und ihre Lautstärke überträgt.

Interpretationssache

Charakteristisch für diese Übertragungsart ist, dass das Ergebnis nie eine exakte Kopie des Urbilds darstellt. Musiker interpretieren je nach Können, Stilempfinden und Temperament die Noten-Vorgabe. Sie müssen dies sogar, weil die Notation selbst längst nicht alles exakt festschreibt, also Interpretationsspielraum zum Beispiel bei Lautstärke und Tempo lässt. Zudem weicht das Klangbild der Instrumente vom Original des Komponisten ab, die Raumakustik ist anders und so fort.

Auch die Übertragung von Bildern kommt ohne Interpretation nicht aus, egal, ob ein Maler sein Motiv mit Ölfarbe auf einer Leinwand abbildet, der Fotograf es auf herkömmlichen Film aufnimmt und anschließend auf Fotopapier vergrößert oder ob man es als Digitalfoto auf dem Monitor anschaut. Stets werden nicht die Farben selbst übertragen, sondern nur Informationen über die Farbe, zum Beispiel die Information „Rubinrot“. Welche konkrete Farbe das ist, bestimmen der Maler, der Film- beziehungsweise Fotopapierhersteller oder der Monitorkonstrukteur. Sie legen fest, welche Farbe auf Leinwand, Papier oder Bildschirm neu gemischt werden soll, wenn die Information „Rubinrot“ eintrifft. Welche Farbe dann tatsächlich entsteht, wird außerdem noch von Material- und Herstellungstoleranzen und Alterung beeinflusst. Im Extrem kann unser gewünschtes Rubinrot auf dem Monitor zu einem kräftigen Violett werden.

Etwas Vergleichbares findet man bei einer Musikanlage nicht. Egal, wie alt oder schlecht diese ist, sie gibt einen 440-Hertz-Ton stets als 440-Hertz-Ton wieder, vielleicht gestört durch Rauschen und Oberwellen, jedoch nie mit 400 oder 500 Hertz – Gleichlaufschwankungen bei einem Plattenspieler hier einmal ausgenommen.

Dreiklang

Es wäre technisch zwar möglich, aber extrem aufwändig, die Parameter einer Vielzahl von Farben zu messen und die Farben damit am Wiedergabeort zu reproduzieren. Zum Glück ist das gar nicht nötig. Da die Netzhaut nur drei Arten von Farbsensoren enthält, also quasi auf drei Festfrequenzen geeicht ist, können wir uns auf diese drei Farben beschränken: Rot, Grün und Blau.

Unsere Farbübertragungsstrecke sieht also jetzt so aus: Drei farbsensitive Sensoren, die lediglich die Pegel (Helligkeiten) der auf sie treffenden Strahlung messen, drei getrennte Übertragungsstrecken (Kanäle) für diese drei Pegel, und drei farbige Lichtquellen, die je nach Pegel eine bestimmte Lichtmenge erzeugen. Der Farbkanal steht für den Parameter Frequenz. Der Pegel wird üblicherweise als (Farb-)Tonwert bezeichnet und digital auf einer Skala von 0 bis 255 angegeben. Die Notierung („Note“) für eine bestimmte Farbe ist also ein Zahlentripel, etwa (R,G,B) = (209,0,91) für Rubinrot. Streng genommen sind dies drei Noten (ein Dreiklang, ein Akkord) – oder eine Rezeptur zur Mischung einer Farbe aus drei Grundfarben. Jeder Pixel eines Farbbildes wird durch solch ein RGB-Tripel genau bestimmt.

Farbübertragung

Farbübertragung Die Übertragung von Farben geschieht getrennt in je einem „Kanal“ für Rot, Grün und Blau. Die digitalen Daten selbst sind „gammakodiert“, d. h. mit einem Gamma von 1,8 bzw. 2,2 nichtlinear verzerrt.

Wie sehr sich diese Bildübertragungstechnik von der Tonübertragung unterscheidet, wird deutlich, wenn man – um die Parallelität auf die Spitze zu treiben – nach diesem Prinzip eine Musikanlage konzipieren würde. Die Aufnahme müsste mit drei Mikrofonen erfolgen, die jeweils nur für Hoch-, Mittel- und Basstöne empfindlich sind; diese Mikrofone registrieren nichts als die Lautstärke in ihrem jeweiligen Frequenzbereich. Zur Wiedergabe genügten drei Lautsprecher, die an Frequenzgeneratoren angeschlossen sind. Diese erzeugen je einen hohen, mittleren und tiefen Ton. Die Lautstärke dieser Töne wird nach den Pegeln gesteuert, welche die Mikrofone registriert haben. Entfernt entspricht diese Anordnung der in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts zur Sprach- und Musikverzerrung entwickelten Vocoder-Technik – für „verständliche“ Sprach- oder gar Musikübertragung ist sie ebenso ungeeignet wie der Versuch, ein Orchesterstück aus nur drei Tönen zu komponieren.

Bei der Bildaufnahme und -übertragung funktioniert das Prinzip jedoch gut. Allerdings müssen für eine genaue Reproduktion zwei Bedingungen eingehalten werden:

  1. Die Farbsensoren sollten die gleiche spektrale Empfindlichkeit aufweisen wie die farbempfindlichen Zapfen im Auge.

  2. Die Farblichtquellen sollten möglichst reine Farben erzeugen, deren Intensitätsmaxima möglichst weit auseinander liegen.

Dies zusammen ist praktisch nie vollständig gegeben, mehr noch, es lässt sich schon prinzipiell nicht restlos verwirklichen, da „das Auge“, das hier als Referenz dient, ein Konstrukt ist, ein Durchschnittsauge, während reale Augen ebenfalls geringe Abweichungen zeigen.

Farbinterpretation

Die systemimmanenten Ungenauigkeiten beginnen auf der Sensorseite. Deren spektrale Empfindlichkeitskurve bestimmt, wie eine reale Farbe in RGB-Tripel übersetzt wird. Zwei unterschiedliche Sensoren reagieren nicht nur anders als menschliche Augen, sondern auch noch untereinander unterschiedlich (wegen unvermeidlicher Fertigungstoleranzen gilt dies zum Beispiel auch für zwei Digitalkameras gleichen Typs).

Wenn schon die „Noten“ anders sind, können zwei Musiker natürlich nicht exakt das gleiche Stück spielen. Zudem unterscheiden sich auch die „Instrumente“ – teils sogar erheblich. In Monitoren werden unterschiedliche Phosphorfarben verwendet, LCD-Anzeigen zeigen, abhängig von den eingesetzten Flüssigkristallen, Farbfiltern und der Farbe der Hintergrundbeleuchtung, ebenfalls abweichende Farben. Die fotografierte Rose bleibt zwar immer eine Rose, und sie bleibt auch immer rot (gravierende Fehler einmal ausgenommen), jedoch kann dieses Rot einmal dunkler, einmal heller, einmal gelblicher oder bläulicher sein. Dabei liegt nirgendwo ein Fehler vor, es handelt sich lediglich um unterschiedliche Interpretationen gleicher Daten.

Gute Stimmung

Damit so etwas nicht beim Konzert passiert, steht zu Beginn der Konzertmeister auf und spielt einen, „seinen“ Referenzton (Kammerton A, 440 Hertz), nach dem die anderen Musiker ihre Instrumente einstimmen. Es kommt dabei weniger darauf an, exakt 440 Hz vorzugeben – wichtig ist, dass es zwischen den Instrumenten bei der folgenden Noten-Interpretation keine hörbaren Unterschiede gibt. Natürlich muss auch jedes Instrument für sich gestimmt sein, wobei ebenfalls die korrekte Abstufung der erzeugten Töne Vorrang vor deren exakter Frequenz hat. Wer nicht gerade über das absolute Gehör verfügt, also Töne fast auf das Hertz genau erkennen kann, nimmt absolute Frequenzabweichungen (435 statt 440 Hz) kaum war. Auf falsche Abstände zwischen den Tönen regiert unser Ohr jedoch recht empfindlich.

Das Instrument, auf dem unsere Farb-Partitur gespielt wird – der Monitor – muss ebenfalls gestimmt werden, hier heißt dies Kalibrierung. Die Kalibrierung bewirkt, dass zu jedem RGB-Tripel die richtigen Phosphorpunkte mit der richtig abgestuften Helligkeit angeregt werden. Während es bei Saiteninstrumenten jedoch immerhin möglich ist, sie auf exakte Frequenzen zu stimmen (das geschieht dann, wenn der Klavierstimmer die Stimmgabel hervorholt), lässt sich eine exakte Monitor-Farbausgabe per Kalibrierung in der Regel nicht erreichen. Leider erweist sich aber bei der Bildreproduktion die absolut korrekte Frequenz – also Farbe – als viel wichtiger als bei der Musikreproduktion. Eine Abweichung des ganzen Orchesters um einen Viertel-Ton verdirbt den Klangeindruck nicht; eine Abweichung aller Farben eines Bildes führt dagegen zu einem sichtbaren Farbstich.

Eine absolut fehlerfreie Farbdarstellung würde erfordern, dass die angeregten Phosphorpunkte in jedem Fall Licht der richtigen Frequenz (Farbe) abgeben, was aber nicht nur von der korrekten Anregung, sondern auch von den Phosphormischungen abhängt. Auch die Farbspektren von LCD-Farbfiltern und LCD-Hintergrundbeleuchtung variieren, sind zudem teilweise temperaturabhängig und nicht alterungsbeständig.

Aus diesen Gründen zeigt ein „Orchester“ aus unterschiedlichen Monitoren, die beispielsweise in einem Schaufenster ausgestellt sind und alle dasselbe Bild „spielen“, meist eklatante Farbunterschiede. Wenn die Monitore vom selben Typ sind, sollten sich die Unterschiede durch Kalibrierung beseitigen lassen. Doch schon bei unterschiedlichen Geräten eines Herstellers genügt eine Kalibrierung meist nicht – erst recht nicht, wenn es sich um Geräte verschiedener Hersteller handelt.

Gleichmacherei

Wenn zwei Monitore trotz Kalibrierung unterschiedliche Farben zeigen, obwohl die ansteuernden „Noten“ exakt gleich sind – vielleicht muss man diese „Noten“, also die RGB-Tripel, nur etwas „ungleich“ machen, um gleiche Farben zu erzeugen?

Genau so funktioniert es. Voraussetzung ist, dass man weiß, welche exakten Farben jeder Monitor aus den RGB-Tripeln erzeugt. Das lässt sich beispielsweise mit einem Farbmessgerät bestimmen, das auf den Bildschirm gesetzt wird und die Farbwiedergabe exakt ausmisst. Zudem muss es Referenzfarben geben, Sollwerte sozusagen, von denen man bei der Korrektur ausgehen kann. Dazu könnte ein besonders guter Monitor dienen, der das „Vergleichsnormal“ darstellt. Besser ist es jedoch, dafür geräteunabhängige Farben zu verwenden, deren Darstellungsbereich und Verteilung (Farbraum genannt) auf der menschlichen Farbwahrnehmung beruht. So lassen sich die Monitor-Farbabweichungen nicht nur gegeneinander, sondern gleich gegenüber dem ultimativen Maßstab in (nicht nur) diesen Dingen bewerten. In der Praxis dienen der CIE-L*a*b*- (kurz Lab-) und der CIE-XYZ-Farbraum als Referenzfarbräume; sie enthalten alle sichtbaren Farben.

Ergebnis dieser Messungen ist ein so genanntes Profil – im einfachsten Fall eine Korrekturformel, meist aber eine Tabelle, die beschreibt, welche exakte (Lab-)Farbe von einem bestimmten RGB-Tripel erzeugt wird. Die „Profilierung“ ändert (im Gegensatz zu Kalibrierung) nichts an der Farbcharakteristik eines Geräts selbst, sondern beschreibt diese lediglich. Das Profil kann nun aber umgekehrt dazu dienen, für einen speziellen Monitor den speziellen RGB-Wert zu ermitteln, den dieser Monitor für die Darstellung der gewünschten Farbe benötigt. Führt man diese Profilbasierte Korrektur bei allen Geräten eines Monitorparks durch, wird ein und dasselbe Bild auf allen Monitoren wirklich gleich angezeigt – allerdings erhält jeder Monitor etwas andere, gerätespezifische Bilddaten.

Manager-Job

Für die nicht mehr ganz triviale Organisation dieses Prozesses zeigt sich das Farbmanagement (CMS, Color Management System) zuständig. Wichtigster Bestandteil ist ein Rechenmodul, das die Bilddaten mit den Profilen verrechnet (CMM – Color Management Modul). Die Profile selbst heißen nach dem International Color Consortium (ICC), das die Norm für Farbmanagementsysteme schuf, ICC-Profile. Auch der Referenzfarbraum hat einen englischen Namen, er heißt, da über ihn die Profile unterschiedlicher Geräte miteinander verbunden werden, Profile Connection Space (PCS).

Blicken wir noch einmal auf unsere Orchester-Analogie: Angenommen, die Streicher kommen mit recht extravagant gestimmten Instrumenten, die alle um halbe oder ganze Töne voneinander abweichen. Trotzdem sind sie nicht bereit, sich auf eine Stimmung zu einigen. Der Dirigent kann nun für jedes Instrument ein Klangprofil erstellen, das beschreibt, welchen Ton es wirklich erzeugt, wenn man eine bestimmte Note spielt. Diese Profile gibt er zusammen mit der Originalpartitur in das KMM (Klang Management Modul) ein und erhält zahlreiche, exakt auf jedes Instrument zugeschnittene Notenblätter (so etwas gibt es übrigens wirklich für die so genannten transponierenden Instrumente). Wenn nun jeder Musiker seine individuellen Noten spielt, passt wieder alles zusammen – etwa so funktioniert Farbmanagement.

Das hohe C

Was passiert aber, wenn eine Bildfarbe vom Monitor überhaupt nicht wiedergegeben werden kann? Das ist, als würde im Notenblatt das hohe C stehen, die Sängerin aber stimmlich zu solchen Höhenflügen gar nicht in der Lage sein. Nicht nur Sänger, auch Instrumente haben ihren Klangraum (Tonumfang) – die Noten, die sich überhaupt auf ihnen spielen lassen. Analog dazu spricht man bei den Bildwiedergabegeräten vom Farbraum: Er umfasst alle Farben, die sich mit ihnen darstellen lassen. Ein Monitor weist im Allgemeinen einen größeren, bei bestimmten Farben aber auch kleineren Farbraum auf als ein Tintendrucker. Bei Bildaufnahmegeräten wie Kameras und Scanner beschreibt der Farbraum, welche Farben erkannt werden. Liegt eine Motivfarbe außerhalb des Kamerafarbraums, wird sie nicht mehr als eigenständige Farbe erkannt, sondern wird durch den RGB-Wert der nächstliegenden, gerade am Farbraum-Rand liegenden Farbe beschrieben.

Farbraumvergleich

Farbraumvergleich Der sRGB-Farbraum (grau) im Vergleich mit dem Farbraum des Tintenstrahldruckers Epson 2100 (mit PremiumGlossy-Papier) in 3D-Ansicht und im Schnitt. Obwohl sRGB insgesamt größer ist, kann der Drucker im Grün-, Blau- und Gelb-Bereich mehr Farben darstellen.

So kann es geschehen, dass zwei unterschiedlich türkisgefärbte Blüten auf dem Foto nicht mehr zu unterscheiden sind – in die „Partitur“ des Bildes sind zwei gleiche Noten geraten, obwohl doch zwei unterschiedliche Töne gemeint waren.

Farbmanagement vermag solche Fehler nicht zu korrigieren; es kann lediglich den eingeschränkten Kamerafarbraum beschreiben und damit vielleicht verhindern, dass – da doch die Kamera ein sattes Türkis gar nicht erkennen konnte – der Drucker (was er sehr wohl kann) ein solches druckt. Beide Blüten werden also im Ausdruck eher in Blass-Türkis erscheinen.

Und wenn es vielleicht aber doch ein kräftiges Türkis war? An dieser Stelle versagt Farbmanagement; hier ist Stil-Management gefragt. Schließlich zieht man in den allermeisten Fällen, genau wie der Orchester-Dirigent, ein stilistisch stimmiges Gesamtergebnis dem vorlagengetreuen „Herunterspielen“ der Noten vor.

Zurück zur Frage: Was tun, wenn die Sängerin mit dem hohen C in der Partitur überfordert ist? Es gibt (zumindest theoretisch) mehrere Möglichkeiten, diese Situation zu meistern. Der Dirigent könnte nur diese problematische Note etwas tiefer singen lassen und damit wahrscheinlich der Arie ihren Höhepunkt nehmen. Oder er könnte alle Noten um den gleichen Betrag absenken, was dazu führen dürfte, dass manche Noten zu tief sind, um spielbar zu sein. Er könnte einen Kompromiss versuchen und die höchsten Noten stark, die tiefsten Noten gar nicht absenken – aber das würde dieses sowieso schon leicht verrückte Orchester endgültig für die Aufführung von Katzenmusik qualifizieren.

Doch zu genau solchen Tricks greift Farbmanagement. Nur stößt unsere Farb-Klang-Analogie hier an ihre Grenzen. Die Umrechnungsmethoden (Umrechnungsziele, Rendering Intents), die bei der Farbwiedergabe unter anderem das „hohe-C-Problem“ lösen, werden im Beitrag Platzprobleme am Palettentisch erläutert. Welche Umrechnungsmethode letztendlich optimal ist, hängt immer vom konkreten Bild ab. Farbräume umfassen als theoretische Gebilde alle von einem Gerät erkennoder darstellbaren Farben. In der Praxis kommt in einem Bild meist jedoch nur ein kleiner Bruchteil dieser Farben vor. Ein Farbmanagement-Automatismus, der alle möglichen Farben eines großen Farbraums nach dem gleichen Rezept in einen kleineren Farbraum zwängt, kann deshalb für manche Bilder notwendig, für andere überflüssig, für wieder andere sogar schädlich sein. In unsere Klang-Analogie übersetzt: Wenn im Gesangsstück das hohe C nicht vorkommt, spielt es keine Rolle, dass die Sängerin es nicht beherrscht (wenn es außerhalb ihres Klangraums liegt). Für die Farbwiedergabe: Wenn das Rot, das der Drucker nicht ausgeben kann, im Bild gar nicht vorkommt, ist es nicht angebracht, alle Farbabstufungen gleichmäßig zu verringern, wie es die oft empfohlene wahrnehmungsgetreue (perzeptive) Umrechnungsmethode tut. Besser wählt man in diesem Fall die relativ farbmetrische Korrektur, denn damit werden die im Druckerfarbraum vorkommenden Farbtöne des Bildes weitgehend originalgetreu erhalten.

Management kompakt

Eine Farbe ist eine Farbe ist eine Farbe. Ein RGB-Tripel, wie ihn beispielsweise eine Digitalkamera erzeugt, bedeutet dagegen nur eine schwammige, fast beliebig interpretierbare Farb-Rezeptur, bei der zwar die Mengenverhältnisse exakt, aber die Grundstoffe nur ungenügend festgeschrieben sind. Zur Farbe wird der RGB-Tripel erst durch eine „Eingabeprofil“ genannte Interpretationsvorschrift, die beschreibt, welche konkreten Farben die RGB-Werte repräsentieren. Damit die Interpretation stimmt, muss das ICC-Profil der Kamera deren Farbcharakteristik möglichst genau beschreiben: Es gibt gute und schlechte ICC-Profile.

Zusammen mit dem ICC-Eingabeprofil definiert ein RGB-Tripel zwar eine Farbe exakt, jedoch bisher nur intern – nämlich nur solange, wie das Bild als Datei auf dem Speicherchip oder im Rechner vorliegt. Sobald die Datei angezeigt oder ausgedruckt wird, nehmen Monitor oder Drucker zwangsläufig (entsprechend ihrer Farbcharakteristik) eine oft eigenwillige Interpretation der RGB-Daten vor. Die Art dieser Interpretation beschreiben Ausgabeprofile, unter denen das Monitorprofil eine wichtige Sonderrolle spielt, da es bei der Arbeit am Computer immer mitspielt – egal, ob es bekannt ist, oder nicht. Aber erst mit Kenntnis dieser Profile kann das Farbmanagementsystem die RGB-Daten so manipulieren, dass auf Monitor und Drucker – im Rahmen des technisch möglichen – die Farben ausgegeben werden, die auch die Kamera sah.

Solche ICC-Profile können in zahlreiche Bilddateiformate eingebettet und mit diesen weitergereicht werden. Farbmanagementfähige Anwendungen (z. B. Bildbearbeitungs- und DTP-Programme, Grafikkarten-und Druckertreiber) sind somit in der Lage, die Bilddaten richtig zu interpretieren. Heutzutage hat man das Farbmanagement ins Betriebssystem integriert, sodass Anwendungen lediglich darauf zugreifen müssen. Was geschieht aber mit Bilddateien, denen kein Profil zugeordnet ist? Das ist, als gäbe man einem Musiker ein Notenblatt, das keinen Notenschlüssel enthält; er müsste erraten, in welcher Tonlage es zu spielen ist. Möglicherweise wählt er die Tonart, die ihm am leichtesten fällt. Zumindest gehen Computeranwendungen so vor: Sie geben Bilder in diesem Fall im Monitorfarbraum wieder, also im „nativen“ Farbraum des Monitors, in dem die RGB-Werte ohne weitere Umrechnung in Farben umgesetzt werden. Bis zur Version 5.5 war dies auch in Photoshop Standard. Dem Musiker ließe sich helfen, indem man mit ihm verabredet, dass alle Musikstücke ohne Notenschlüssel in einer bestimmten Tonlage (beispielsweise a-Moll) zu spielen sind. In der Welt der Farben heißt diese Verabredung „Arbeitsfarbraum“. Der Arbeitsfarbraum (er lässt sich in den Voreinstellungen einiger Bildbearbeitungsprogramme wählen) legt fest, wie Bilddaten interpretiert werden, die kein ICC-Profil enthalten (RGB ohne Tags), und stellt gleichzeitig den Farbraum neu erstellter Dokumente dar.

Der Arbeitsfarbraum erweist sich darüber hinaus als eine praktische Sache, denn er gestattet „Farbmanagement auf Verabredung“, ohne Profile austauschen zu müssen. Wenn viele Bilder von einer bekannten Quelle, etwa einem Scanner, zu verarbeiten sind, ist es nicht nötig, in jedes Bild das mitunter recht große Scannerprofil einzubetten. Stattdessen wird dieses Profil in der Anwendung, mit der die Bilder bearbeitet werden, als Arbeitsfarbraum gewählt. Das Programm „weiß“ dann, wie es die Bilddaten zu interpretieren hat – es liegt damit aber eventuell völlig daneben, wenn ein Bild von einer anderen Quelle geöffnet wird, das ebenfalls kein Profil enthält.

Feste Verabredung

Die beiden eben genannten Möglichkeiten führen zu zwei prinzipiell unterschiedlichen Workflows:

1. Die Bilddaten stammen aus unterschiedlichen Quellen und enthalten Eingabeprofile. Das verarbeitende Programm rechnet die Bilddaten mit den Profilen in den Arbeitsfarbraum um. Er sollte deshalb nicht kleiner als der größte Eingabefarbraum sein. Nach der Bearbeitung werden die Bilder mit eingebettetem Arbeitsfarbraum-Profil gespeichert und/oder an Ausgabegeräte geschickt. Diese müssen ebenfalls farbmanagementfähig sein. Vor der Ausgabe konvertiert man die Bildfarben aus dem Arbeitsfarbraum in einen speziellen Ausgabefarbraum. Da die Profile hier fest mit den Bilddaten gekoppelt sind, spricht man von „fester Bindung“. Dafür zeigt sich der Arbeitsablauf sehr flexibel, denn es besteht keinerlei Bindung an spezielle Ein- oder Ausgabegeräte.

2. Die Bilddaten stammen aus einer einzigen Quelle und enthalten keine Profile, allerdings ist das Profil der Quelle bekannt. Im Bildbearbeitungsprogramm wird dieses Profil als Arbeitsfarbraum gewählt. Nach der Bearbeitung werden die Bilder in den Ausgabefarbraum (z. B. von Drucker oder Belichtungsdienst) konvertiert. Die Weitergabe erfolgt dann ohne eingebettetes Profil. Da die Profile hier nur „per Verabredung“ mit den Bilddaten gekoppelt sind, spricht man von „loser Bindung“. Sehr fest sind dagegen die Bindungen zum Eingabe-und zum Ausgabegerät. Auf diese Art erstellte Druckdateien sollten nicht ohne weiteres auf einem anderen als dem ursprünglich gewählten Drucker ausgegeben werden.

In der Praxis verwendet man meist Mischformen dieser Workflows. Vor allem auf der Ausgabeseite findet man (derzeit noch) selten Geräte, die Farbmanagement beherrschen, sodass die Bilddaten bereits von der bereitstellenden Anwendung entsprechend konvertiert werden müssen.

Bunter Flaschenhals

Aber warum konvertiert man die Farben nicht gleich im Eingabegerät in einen vernünftig großen, geräteunabhängigen Farbraum, etwa den Lab-Farbraum, der alle sichtbaren Farben umfasst? Computerprogramme, Monitor und Drucker sollten diesen Farbraum ebenfalls unterstützen, zumindest aber verstehen, und dann die Farben entsprechend ihren Möglichkeiten reproduzieren. Der fast einzige Grund, warum dies derzeit noch kaum zu realisieren ist, liegt im beschränkten Tonwertumfang, den die digitale Verarbeitung den Bildern zugesteht. Mit 8 Bit, also 256 Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal, kann man zwar die beeindruckende Zahl von über 16 Millionen Farbschattierungen darstellen – meist ausreichend, um in den Grenzen des jeweiligen Farbraumes auch differenzierte Schattierungen abzubilden. Das reicht aber nicht, wenn man zwischen Farbräumen umrechnen muss. Sowohl ein großer als auch ein kleiner Farbraum werden nämlich beide von meist höchstens 8 Bit pro Kanal beschrieben. Angenommen, eine Kamera mit kleinem Farbumfang würde das Bild in einem großen Farbraum ausgeben, dann bliebe ein Großteil des Raumes ungenutzt; die zugehörigen RGB-Tripel würden niemals in einer Bilddatei vorkommen. Anders gesagt: Für die Darstellung der wirklich vorhandenen Bildfarben stünden pro Kanal weit weniger als 256 Tonwertabstufungen zur Verfügung – und das kann zu sichtbaren Abstufungen führen.

Gleichwohl hat man dieses Prinzip bereits verwirklicht, allerdings mit einem vergleichsweise kleinen Farbraum: sRGB. Das „standardisierte RGB“ ist zwar wie Lab geräteunabhängig, sRGB enthält jedoch nur so viele Farben, wie ein durchschnittlicher Monitor anzeigen kann. Viele problemlos druckbare Farben sind in sRGB nicht enthalten. Für Bilder, die nur für die Verbreitung im Internet gedacht sind, eignet sich sRGB recht gut, für höhere Qualitätsansprüche und Ausdrucke eher schlecht. Trotzdem hat sich sRGB wegen seiner Einfachheit im Konsumerbereich durchgesetzt – es zeigt, wie Farbmanagement auch funktionieren kann.

Der Flaschenhals, durch den die Farben bei der Farbraumkonvertierung müssen, lässt sich nur erweitern, wenn man durchgängig mit 16-Bit-Bilddaten arbeitet. Dann ist es auch möglich, einen ausreichend großen Farbraum wie Lab als Standard einzusetzen. Doch das gibt es bisher nur im Profibereich.

Fazit

Stellen Sie sich vor, Sie müssten die CDs ihrer Lieblingsband passend zur Stereoanlage kaufen, und wenn Sie die Titel sowohl auf der HiFi-Anlage als auch im mobilen Player hören wollen, benötigen Sie zwei CDs mit den jeweils auf die Geräte abgestimmten Klangdaten. Die Musikindustrie würde sich die Hände reiben – und die Käufer würden es eher für eine Zumutung halten.

In der Bildverarbeitung ist es jedoch gang und gäbe, dass die Dateien passend zum Ausgabegerät konvertiert werden, wenn man optimale Ergebnisse erreichen will. Farbmanagement, wie es gegenwärtig praktiziert wird (bzw. werden muss), kann in der Tat eine Zumutung sein – selbst dann, wenn Sie die komplizierte Materie verstanden haben und alle notwendigen Kalibrierungen, Profilierungen und Voreinstellungen (siehe die folgenden Beiträge) „im Schlaf“ beherrschen. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Farbmanagement-Technologie immer noch in den Kinderschuhen steckt und in den letzten Jahren rasch verbessert wurde.

Die rasante Entwicklung der Speichertechnik lässt hoffen, dass in wenigen Jahren Farbmanagement kein Thema mehr sein wird, um das man sich großartig kümmern muss. Dann werden alle Bilddaten – reine Knipser-Kameras ausgenommen – in einem genügend großen 16-Bit-Farbraum aufgenommen, gespeichert und übertragen; die Geräte sorgen dann selbst dafür, dass sie die optimal angelieferten Daten in korrekte Farben übersetzen (medienneutrales Farbmanagement). Profilierung kann man dann getrost vergessen, und für die nach wie vor notwendige Kalibrierung – das „Stimmen des Instrumentes“ – gibt es heute schon halb- und vollautomatische Lösungen, die ihren Weg vom Profi- ins Konsumentenlager bald finden werden.

Alle Beiträge auf einen Blick

 

Symphonie der Farben

Farbmanagement verstehen

Maschinenspiel

Farbeinstellungen in Bildbearbeitungsprogrammen

Farbgeber

Den Monitor auf optimale Darstellung trimmen

Augenaufschlag

Farbeinstellungen von Digitalkamera und Scanner

Ausklang

Beste Farbqualität aus Ausgabegeräten herausholen

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c't-magazin

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